Test

Wey Coffee 01 – Mega-Hybrid im Test

Riesiger Akku, viel Leistung, dazu ein feines Cockpit mit reichlich Ausstattung und ein Preis deutlich unterhalb der Konkurrenz. So will der Coffee 01 der jungen chinesischen Marke Wey in Europa punkten. Wir haben getestet, was das SUV wirklich draufhat!

Veröffentlicht am 16.11.2022

Der Name Wey Coffee 01 mag nach Aufbaupräparat klingen. Tatsächlich versteckt sich dahinter ein Premium-SUV aus China. Entwickelt hat es Great Wall Motor, die mit den beiden Marken Ora und Wey nun die etablierten Player in Europa herausfordern wollen. Der Coffee 01 hat dabei einiges zu bieten: Plug-in-Hybridantrieb mit knapp 150 Kilometer elektrischer Reichweite, exzellentes NCAP-Crashtestergebnis, top Ausstattung und das alles zu einem Preis von voraussichtlich unter 60.000 Franken. Wir haben den Wey Coffee 01 in Lissabon getestet! (Hier geht es zur kurzen Videovorstellung auf Facebook.)

Abmessungen im BMW-X6-Format

Eine kurze Einordnung: Mit 4,87 Metern Länge wildert der Wey Coffee 01 voll im Revier von BMW X6 und Co. Dort steht er mit seiner wuchtigen Erscheinung samt modisch abfallender Dachlinie auch optisch. Wer unbedingt will, kann vorne etwas Audi e-tron und hinten einen Schuss Maserati Grecale erkennen. Insgesamt ist der Chinese aber vollkommen eigenständig und – wie wir finden – gefällig und durchaus gelungen.

Der Modellname rührt daher, dass Kaffee in China ein Luxusprodukt ist und entsprechende Assoziationen wecken soll. Zudem soll das Auto Wärme und Stärke verströmen, genau wie ein guter Kaffee, so die Erklärung der Marketingabteilung. Besonders stolz ist man bei Wey auch auf das Fünf-Sterne-Ergebnis beim Crashtest. Laut Wey ist es das drittbeste jemals beim NCAP gemessene. Besser schnitten nur Tesla und Lexus ab.

Abmessungen

Länge: 4,87 m
Breite (ohne Aussensp.): 1,95 m
Höhe: 1,69 m
Radstand: 2,91 m
Kofferraumvolumen: 367 – 1250 l
Leergewicht: ca. 2,3 t
Anhängelast: 2 t

PHEV mit riesiger Batterie

Angetrieben wird der Wey Coffee 01 von einem Plug-in-Hybridsystem. Ein Zweiliter-Turbovierzylinder wird unterstützt von je einem Elektromotor im 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und auf der Hinterachse. Zusammen liefern die Motoren 350 kW (476 PS) und 847 Nm Drehmoment. Besonders spannend ist der Akku: Fast 40 kWh bringt die unterflur verbaute Einheit. Das beschert dem SUV eine elektrische Reichweite von 146 Kilometer nach WLTP und ein happiges Leergewicht von 2335 Kilogramm.


Aufladen lässt sich der Akku mit bis zu 11 kW bei Wechselstrom. Dann ist er in rund 50 Minuten
von 0 auf 80 Prozent geladen.

Die grosse E-Reichweite ist ein Alleinstellungsmerkmal des Coffee 01. Annähernd kommt da nur die neue Mercedes C-Klasse ran, die als PHEV 111 Kilometer (WLTP) elektrisch zurücklegen kann. Auch der Polestar P1 kommt in den Sinn, doch der wurde erstens eingestellt und spielt zweitens in einer ganz anderen Liga. Und warum dann nicht gleich vollelektrisch? Man wolle den Weg ebnen in eine elektrische Zukunft und ein Auto für Leute anbieten, die elektrifiziert unterwegs sein, aber immer noch die Sicherheit von viel Reichweite wollen. "PHEV ist eine Brückentechnologie, die nicht ewig halten wird. Dessen sind wir uns bewusst. Aber es ist eine lange Brücke und deshalb das richtige Produkt, um für so viele Menschen wie möglich den Weg in eine elektrische Zukunft zu ebnen", erzählt uns Thiemo Jahnke, Brand & Marketing Director Wey Europe im Gespräch.

Reichhaltige Ausstattung ab Werk


Material- und Verarbeitungsqualität sind hervorragend.

Beim Reinsetzen begrüsst uns der Testwagen mit greller Zweifarbausstattung in Crème und Violett. Geschmackssache, aber wie das Farbthema bis in die hintersten Ecken durchgezogen ist, verdient Respekt. Genauso wie Material- und Verarbeitungsqualität auf sehr hohem Niveau. Kunststoff findet sich nur dort, wo man selten hin fasst. Auch die Ausstattung ist top: LED-Scheinwerfer, Head-up-Display, 360-Grad-Kamera und zahlreiche Fahrassistenten werden frei Haus geliefert. Ebenfalls Serie: Eine Gesichtserkennung, über welche sich verschiedene Fahrerprofile einspeichern und automatisch abrufen lassen.

Bequem ist das Credo

Jetzt wollen wir aber wissen, wie der Wey Coffee 01 fährt. Elektrisch rollen wir los und fahren als erstes durch ein paar kleine Vorortgassen. Auf den Pflastersteinstrassen ist das Fahrwerk bequem, lässt die verwindungssteife Karosserie aber recht stark schaukeln. Zusammen mit der unpräzisen, leichtgängigen Lenkung, bei der man immer wieder leicht am Lenkrad korrigieren muss, bringt das unnötige Nervosität ins Fahrgefühl.


Der zweite Bildschirm zur Klimabedienung unterhalb der Lüftungsdüsen spiegelt und ist
suboptimal zu bedienen. An der A-Säule links: Der Sensor für die Gesichtserkennung.

Mit gesteigerter Geschwindigkeit löst sich das in Wohlgefallen auf. Bei Landstrassentempo bügelt das ansonsten hervorragend abgestimmte Fahrwerk in Tateinheit mit dem Gewicht selbst löchrigste Landstrassen glatt. Die enorm bequemen Sitze tun ein Übriges. Schade ist lediglich, dass die Lordosenstütze nur optional zu haben und der Beifahrersitz nicht höhenverstellbar ist. In Kurven schiebt die Masse früh nach aussen, dank des tiefen Schwerpunkts lässt sich der Brocken aber gut um die Ecken zirkeln. Nimmt man in Kurven Gas weg, kommt sogar mal das Heck rum. Spannend: Am harmonischsten fühlt sich das Auto im Sportmodus an. Hier bekommt die Lenkung etwas mehr Gewicht und der Vortrieb wird deutlich kräftiger. Nur ist dann eben immer der Verbrenner an.

Der Hybridantrieb ist eine Wucht

Apropos Verbrenner: Ein riesiges Lob verdient der Antrieb. Das Zusammenspiel von E-Motoren, Getriebe und Verbrenner ist exzellent. Weder Ruckeln noch Zugkraftunterbrechungen sind zu spüren, und der kleine Vierzylinder ist gut gedämmt, klingt gar nicht schlecht. Beschleunigen fühlt sich nach E-Auto an. Das Elektro-Drehmoment liegt direkt an, dann schaltet sich der Verbrenner dazu. Zwar fühlen sich die 476 PS zu keiner Zeit wirklich sportlich an. Mangelnde Kraft ist aber nicht zu beklagen, und Schlupf ist dank Allradantrieb kein Thema. Auf unserer Testrunde von gut 300 Kilometern haben wir im Durchschnitt 6,5 l/100 Kilometer verbraucht, mit einer verbliebenen elektrischen Restreichweite von 9 Kilometern. Das ist für ein Fahrzeug dieser Grösse gut.

Es gibt aber auch Verbesserungspotenzial. So wünscht man sich eine separate Fahrmodustaste, statt sich durch das – dafür sehr gute – Infotainment zu wühlen. Der zu flach montierte Touchscreen für die Klimabedienung sorgt für Ablenkung und beständige Hinweise vom Aufmerksamkeitsassistent, man solle sich bitte aufs Fahren konzentrieren. Und Touchflächen am Lenkrad sowie der nicht einrastende Blinkerhebel sind Dinge, die andere Marken zu Recht wieder aufgegeben haben.

Der Preis ist heiss

Das alles sind aber Dinge, die man mit einem Facelift beheben kann. Ansonsten ist der Wey Coffee 01 ein wirklich gelungenes Paket, vor allem für ein Erstlingswerk. Und den günstigen Preis: In Deutschland ist das SUV ab 55.900 Euro zu haben, inklusive fünf Jahren Garantie ohne Kilometerbeschränkung. Und selbst mit Vollausstattung sind kaum mehr als 64.000 Euro zu bezahlen. Die Auslieferungen beginnen bei unseren nördlichen Nachbarn ab Anfang 2023. In die Schweiz kommt der Coffee 01 vermutlich ebenfalls noch 2023, aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei uns vertrieben von Emil Frey.

Fazit

Der Wey Coffee 01 überzeugt, und bietet mit seinem Antrieb samt Riesen-Akku ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Ein paar Kleinigkeiten gibt es noch zu verbessern, doch das sind keine Killerkriterien. Jetzt muss sich nur noch genügend Kundschaft finden, die bereit ist, über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Text: Moritz Doka
Bilder: Hersteller/Moritz Doka

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