Saab 9-3 II Cabriolet
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Geheimtipp vor dem bitteren Ende

Saab hat einige legendäre Fahrzeuge hervorgebracht. Doch die Spätwerke, bevor die Schweden ihre Tore endgültig schliessen mussten, sind echte Geheimtipps. So etwa die zweite Generation des 9-3 Cabriolet, die vor mittlerweile 20 Jahren erschien.

Veröffentlicht am 10.09.2023

General Motors hatte Saab im Jahr 2000 übernommen und innerhalb eines Jahrzehnts ruiniert, wie schon andere Tochtermarken zuvor. Die exzentrischen Schweden wurden von den Mainstream-Managern in Detroit nie verstanden. Die Übernahmen durch die niederländische Spyker 2010 und durch die chinesische NEVS ein Jahr später konnte nichts mehr retten. Seitdem ist Saab Geschichte – mit Ausnahme einer kurzen Wiederaufnahme der Produktion 2013 und 2014. So weit die schlechten Nachrichten.

Positiv ist, dass Saab unter neuem Namen bald zurückkehren wird - und die ehemaligen Modelle bis heute eine grosse Fangemeinde besitzen. Dank ehemaliger Saab-Garagen wie Buser in Augst BL wird sogar die professionelle Wartung garantiert. Dort treffen wir uns mit Christoph Bleile, dem letzten Schweizer Pressechef von Saab, und Hans Sägesser, einem leidenschaftlichen 9-3-Cabrio-Fahrer, dem das Auto auf diesen Seiten in der Präsentationsfarbe Lime Yellow gehört.

Lime Yellow polarisiert


Lime Yellow ist besonders auffällig und hebt das 9-3 Cabriolet noch weiter aus der Masse hervor.

«Beim Cabrio hatten wir damals einen sehr guten Zuspruch», erinnert sich Christoph Bleile. «Die meisten waren schwarz oder silbern und mit dem Zweiliter-Softturbo mit 175 PS und kleinem t oder dem grösseren Turbo mit 210 PS und grossem T in der Modellbezeichnung ausgerüstet. Der Saab hatte einige Besonderheiten, und die gefielen hiesigen Kunden. Wir konnten gut gegen BMW 3er und Audi Cabrio antreten. Nur das auffällige und doch sehr polarisierende Lime Yellow bestellte kaum jemand, das gefiel nur den Journalisten und Fotografen. Die in Südafrika geschossenen Pressebilder sahen phantastisch aus. Die Weltpremiere des 9-3 II Cabriolets fand in der Umgebung von Malmö statt», erinnert sich Bleile.


Seine 20 Jahre, die der Saab 9-3 schon auf dem Buckel hat, sieht man ihm nicht im Geringsten an.

Den Schweden waren Sicherheit und fünf NCAP-Sterne wichtig – auch wenn Saab diese Eigenschaften weniger in den Vordergrund stellte als Volvo. So sind die vorderen Sicherheitsgurte an den Sitzen befestigt, damit man nicht beim Entern des Fonds darüber stolperte und keine Buckel die Linie störten. Die Verwindungssteifigkeit war gegenüber dem Vorgänger um 40 Prozent besser, die Bauqualität war ausgezeichnet. Dafür garantiert der Hersteller Magna-Steyr in Graz. Der Vorgänger lief noch bei Valmet im finnischen Uusikaupunki vom Band. Die sehr schöne, nach hinten ansteigende Linie wird nicht durch Überrollbügel gestört. Trotzdem sind sie da, versenkt und unsichtbar. Sie schnellen erst im Fall eines Unfalls aus ihrem Versteck.

Sehr hochwertiges Verdeck

Das von Magna entwickelte, elektrische Verdeck kann in 20 Sekunden und bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h versenkt werden und verriegelt sich selbstständig. Das war damals eine kleine Show: Die Verdeckabdeckung hebt sich an und fährt waagrecht nach hinten, lässt die Stoffkappe in ihre Mulde fahren und schiebt sich wieder nach vorne. Dabei schrumpft das Kofferraumvolumen des schwedischen Viersitzers von 330 auf 240 Liter, was aber immer noch ordentlich war. Ein cleverer Verdeckbehälter gibt den nicht genutzten Raum bei geschlossenem Verdeck frei. Zugunsten eines geringeren Leergewichts – der Saab 9-3 ist nur knapp über 1,5 Tonnen schwer – sind Rahmen und Träger aus Magnesium.


Cockpit mit vielen Knöpfen und kleinen Saab-Schrullen wie dem Zündschloss im Mitteltunnel.

Das sechslagige, in Schwarz oder Blau lieferbare Verdeck sitzt straff und ist waschanlagenfest. Und es hat sogar eine Regenrinne. Im Innenraum herrscht nordische Kühle, sprich: sachliches Schwarzgrau. Nur im Lenkrad und in der Mittelkonsole finden sich mattsilberne Einleger. Die Anzahl der durchwegs rechteckigen Schalter ist im Zeitalter des Reduzierens der Bedienelemente sehr beeindruckend – um nicht zu sagen: verwirrend. Neulinge müssen sich an das Zündschloss auf der Mittelkonsole gewöhnen. Ein Highlight ist auch das zusätzliche Display unter der Windschutzscheibe, das Warnsymbole, Uhrzeit, Aussentemperatur oder andere über den Bordcomputer abrufbare Infos bereithält. Weder auf Cupholder noch CD-Wechsler muss der 9-3-Pilot verzichten.

Ein Saab läuft immer

Hans Sägesser nennt zurzeit fünf Saab sein Eigen. Er ist überzeugt: «Ein Saab ist ein sehr individuelles Auto, das bereits zu Lebzeiten der Marke nicht an jeder Ecke stand. Der von Saab verkörperte, nordische Lebensstil gefällt mir. Ich war schon mit dem Saab 96 in Schweden an Treffen, aber jetzt bin ich mehr auf 9-3 und 9-5 fokussiert. Dieses Auto habe ich seit sieben Jahren, es hat schon 153'000 Kilometer auf dem Tacho, was nicht unbedingt viel ist, weil Cabrios häufig Zweitwagen sind. Der gebürtige Basler hat seine Zelte mittlerweile ennet des Rheins bei Waldshut aufgeschlagen. Das Auto ist allerdings ein Schweizer, ein 2.0 t Softturbo mit kleinem «t» und 175 PS sowie sehr gut abgestimmtem und schnell reagierendem Fünfgang-Automat von 2004.


175 PS reichen im Cabriolet völlig aus. Der Wunsch nach mehr Leistung kommt nie auf.

Das sorgt für gute Fahrleistungen, ohne dass der Wunsch nach mehr Leistung aufkommt, erst recht beim Cabrio. Das Fahrwerk ist komfortabel, die mitlenkende Hinterachse verhindert exzessives Untersteuern und bringt eine sportliche Kurvenlage. Ausser der Farbe, dem Automatikgetriebe und den Sonderfelgen ist da aber nichts Aussergewöhnliches dran. «Leder und Stereoanlage und die Komfortgoodies waren in der Schweiz sowieso immer drin», sagt Sägesser. Aussergewöhnlich ist das Lob in Sachen Qualität und Zuverlässigkeit: «Mich erstaunt immer wieder, wie gut die Autos sind. Es gibt nie Probleme, bin noch nie liegen geblieben. 10'000 Kilometer ans Nordkap und zurück sind ein Kinderspiel. Alles funktioniert noch wie am allerersten Tag, alles ist völlig unspektakulär.»

Hohe Erwartungen

Dabei hatte es dieses Modell nie einfach. Es wurde 1993 als Saab 900 New Generation und erstes Saab-Modell unter GM-Fittichen eingeführt, was die Fans natürlich misstrauisch machte, musste er doch in die riesigen Fussstapfen des ersten 900 treten, der seinerseits auf den Saab 99 der End-1960er zurückgeht. Das ist ganz schön viel historischer Ballast. Die Basis bot damals zwar der Opel Vectra A, aber die Designer in Trollhättan hatten wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet und dem Neuling eine an den alten 900 erinnernde Silhouette spendiert, und auch im Innenraum gab es viel Saab zu sehen und zu ertasten.


Turboaufgeladene Vierzylinder sind typisch Saab. V6 gab es auch, waren aber eher die Ausnahme.

Der Motor war nun quer eingebaut und optional als V6 ausgeführt, was allerdings nicht als Saab-typisch galt, denn starke Saab arbeiten mit Turbo, nicht mit zusätzlichen Zylindern. Es gab auch wieder ein Cabrio. Der Nachfolger 9-3 I von 1998 bekam eine neue Modellbezeichnung und – je nach Zählweise – 500 bis 1000 neue Teile, die insbesondere die Crashsicherheit verbesserten. Optisch gab es wenige Änderungen, der Wagen war – typisch Saab – auf Langzeitwirkung und nicht auf schnelle Effekte entworfen worden. Vom 900 II wurden 273'568 Exemplare, vom 9-3 I deren 326'370 gebaut, macht zusammen fast 600'000 Autos: eine ideale Basis für den Nachfolger.

Neue Plattform, gleiche Grösse

Der 9-3 II von 2002 war praktisch gleich lang und nur minimal breiter geraten. Aber er brachte zwei fundamentale Neuerungen: Die Karosserie basierte nun auf der Epsilon-Plattform, die eine Unzahl von Fahrzeugen hervorbrachte. Zweiter Punkt war die neue Karosserieform, denn es gab keine Saab-typische Fliessheck-Kombilimousine mehr, sondern anfangs nur ein konservatives Stufenheck. Das auf diesen Seiten vorgestellte Cabrio folgte ein Jahr später und wurde positiv aufgenommen: ein würdiger Nachfolger des legendären 900 Cabrios. 2005 wurde der Kombi nachgeschoben. Der 9-3 war dank der vielen technischen Innovationen ein gutes, Saab-typisches Auto geworden. Nur etwas konservativer, weil es die praktische Kombilimousine nicht mehr gab und man stattdessen auf ein Stufenheck setzte.

Ein mittiges Zündschloss macht noch keinen Saab


Durch und durch markeninfiziert: 9-3-Besitzer Hans Sägesser nennt noch vier weitere Saab sein Eigen.

Aber die Probleme lagen woanders. Saab wurde von GM missverstanden. Der 9-2X von 2004 war baugleich mit dem Subaru Impreza, darum nannten ihn die Amerikaner, für deren Markt er vorgesehen war, «Saabaru»: ein Flop. Gleich der Saab 9-7X, der mit dem Chevrolet Trailblazer fast identisch war. Der «Saablazer» ging ebenso sang- und klanglos unter. Ein auf dem Mitteltunnel platziertes Zündschloss und die Logos allein machen nun mal keinen Saab. Der 9-3 zeigt hingegen, dass es auch in einem Konzernverbund möglich ist, einen echten Saab auf die Strasse zu bringen – und dass es auch ein Leben nach den genialen Sonett, 93, 96, 99 oder Ur-900 gab. Eine Anekdote am Rand: Weil Saab zu Vor-GM-Zeiten einen kompakten Sechszylinder für den 9000 suchte, hat VW einen VR6 zur Evaluation nach Trollhättan geschickt. Leider fehlte den Schweden der Mut und sie liessen es bleiben. Wäre das Experiment geglückt, wäre Saab vielleicht heute im VW-Konzern – und putzmunter!

Technische Daten Saab 9-3 Cabriolet 2.0t (2003)

R4-16V-Benziner, Turbolader, 1988 cm3, B x H: 86 x 86 mm, 129 kW/175 PS bei 5500/min, 88,9 PS/l, 265 Nm bei 2500/min, 5-Gang-Getriebe
(Option: 5-Gang-Automatik), Vorderradantrieb, Norm: 8,8 l/100 km, 0–100 km/h: 9,0 s, Spitze: 215 km/h, L/B/H: 4635/1760/1450 mm, Radstand: 2675 mm, Reifen v./h.: 215/55 R15, Leergewicht: 1520 kg, Kofferraum: 240–330 l, Tank: 62 l, Preis 2003: ab 50'500 Franken (2.0 t Linear), Preis aktuell: 12'000–16'000 Franken (Zustand 2).

Text: Stefan Fritschi
Fotos: Markus Kunz, auto-illustrierte

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