Ferrari 166 Inter Vignale - der Schöne
Vignale kleidete einige der schönsten frühen Ferrari ein. Dieses Ferrari 166 Inter Vignale Coupé stammt aus dem Jahre 1950.
Manchmal wundert man sich ja schon. Talacrest ist einer der wichtigsten Ferrari-Händler weltweit und überhaupt. Und bezeichnet diesen Ferrari 166 Inter als «only Vignale Berlinetta made». Was schlicht und einfach falsch ist. Doch blenden wir zuerst: zurück.
Der 125 von 1947 war das erste unter dem Namen Ferrari hergestellte Fahrzeug. Er war mit einem vom früheren Alfa-Ingenieur Gioacchino Colombo konstruierten 1,5-Liter-V12 ausgerüstet, der wohl knapp 80 PS stark war. Es gab zwei Strassenfahrzeuge vom 125, eines mit einer Karosserie von Touring, ein anderes mit freistehenden Kotflügeln und schmalerer, rennsporttauglicher Karosse. Beide existieren nicht mehr (auch wenn Ferrari etwas anderes behauptet).
Nachfolger des 125 war der noch 1947 vorgestellte 159, dessen Motor von 1,5 auf 1,9 Liter Hubraum vergrössert worden war. Auch hier verwendete Ferrari wieder den für seine frühen Jahre typischen Kastenrahmen, vordere Doppel-Dreiecks-Lenker und hinten eine Starrachse. Vom 159 gab es ebenfalls zwei Stück, wie schon vom 125C.
Ferrari 166 Inter Vignale – die zivile Variante
Die Bezeichnung sowohl des 125 wie auch des 159 geht zurück auf den gerundeten Inhalt eines einzelnen Zylinders. Damit dürfte auch klar sein, wie gross der Motor des Fahrzeugs war, das Ferrari im November 1948 auf dem Turiner Auto-Salon vorstellte: der 166. Die noch junge Firma aus Maranello zeigte zwei Versionen des 166: den MM und den Inter. Während der MM (für Mille Miglia) einen Radstand von 2,2 Metern sowie einen jetzt 140 PS starken 2-Liter-V12 besass, war der Inter die «zivile» Variante mit längerem Radstand (2,4 Meter) und zurückgetuntem Triebwerk (etwa 110 PS bei 6000/min).
Bis 1953 wurden 46 MM gebaut (der berühmteste war sicher die «Barchetta» von Touring, von der 25 Exemplare entstanden), der Inter wurde bis 1951 hergestellt, 37 Stück wurden gebaut (andere Quellen sagen 39, aber wir glauben mehr an die 37). Es gab noch weitere 166: den Spyder Corsa (neun Stück, rund 160 PS, ein Formel-2-Rennwagen), den 166 Sport (zwei Stück, 90 PS) und den 166FL, der für Rennen in Südamerika entwickelt wurde und mit einem Kompressor auf 310 PS kam.
Die 166 Inter hatten eine eigenartige Nummerierung bei den Chassisnummern: Sie begann bei 007 S und endete bei 0079 S. Das Fahrzeug, das auf dem Salon von Turin gezeigt worden war, wurde von Touring eingekleidet – und noch heute ist das vorherrschende Bild, das wir vom 166 Inter haben, jenes halb elegante, halb sportliche Kleid, das ihm das 1926 von Felice Bianchi Anderloni in Mailand gegründete Unternehmen verpasst hatte. Natürlich gab es noch andere «carrozzerie», die am Ferrari arbeiteten: Bertone, Ghia, Stabilimenti Farina (nicht zu verwechseln mit Pinin Farina) - und natürlich Vignale.
Eine traurige Geschichte
Ach, Vignale. Denn eigentlich ist dies eine traurige Geschichte. Alfredo Vignale, geboren 1913 in Turin, arbeitete vor dem 2. Weltkrieg bei Stabilimenti Farina – nicht zu verwechseln mit Pininfarina – als Karosseriebauer. Nach dem Krieg konnte er mit Hilfe von Piero Dusio, dem Gründer von Cisitalia, sein eigenes Unternehmen aufbauen, Carrozzeria Vignale & C. – und er hatte schnell Erfolg.
Weiter ging es mit Cisitalia, dann ab 1950 auch mit Ferrari. Die von Vignale eingekleideten Rennwagen aus Maranello gewannen 1951 die Carrera Panamericana, von 1951 bis 1953 auch die Mille Miglia. Gezeichnet hatte diese grossartigen Fahrzeuge aber nicht der Chef, sondern sein Mitarbeiter Giovanni Michelotti, der in der Folge zu einem der bekanntesten Auto-Designer überhaupt aufsteigen sollte. Bis Ende der 50er Jahre mehrte sich der Ruhm von Vignale fleissig weiter.
Doch dann, Anfang der 60er Jahre, wurden die Begehrlichkeiten zu gross. Vignale wollte selber Autos bauen, konstruierte die «Eveline» und die «Samantha» auf Basis des Fiat 124 bzw. 125 – und den wunderbaren Gamine, ein Fiat 500 als Roadster, der in Deutschland über das Versandhaus Otto bestellt werden konnte. Doch das Geld zerrann Alfredo Vignale zwischen den Fingern. 1969 musste er an die Carrozzeria Ghia verkaufen, die dem argentinischen Hasardeur Alejandro de Tomaso gehörte – und wenige Tage später, am 16. November 1969, verstarb Alfredo Vignale bei einem Auto-Unfall, dessen Umstände nie restlos aufgeklärt werden konnten (oder: sollten?).
Der erste von Vignale eingekleidete Ferrari war ein 166 MM, Chassisnummer 0034 MM. Eine Barchetta, mit der Marzotto 1950 bei der Mille Miglia teilnahm. Und nicht ans Ziel kam (1948 hatte er gewonnen, 1953 in einem legendären Rennen noch ein zweites Mal). In der Folge gab es noch so manchen Vignale-166, die erste Berlinetta war dann 0039 S, das erste Coupé 0045 S. Und irgendwann dann eben auch 0069 S, den wir zeigen.
Ferrari 166 Inter Vignale - weit gereist
Das Fahrzeug wurde am 15. September 1950 vollendet. Erster Besitzer war dann am 22. Januar 1951 der Römer Inico Bernabei. Doch schon 1951 kam das Fahrzeug zu einem fränzösischen Besitzer, der damit die ausgesprochen harte Langstrecken-Rallye Lüttich-Sofia-Lüttich fuhr, mehrmals. 1959 kam der Ferrari 166 Inter dann in die USA, zu Fred Herdeen.
Nach einer Restauration in den USA wird es dann wild. 0069 S wurde nach Neuseeland verkauft, kam dann nach Zimbabwe, 1998 ein erstes Mal zu Talacrest, ging weiter nach Italien und Japan, kam 2013 wieder zu talacrest, wurde verkauft, jetzt (2021) wieder zurückgekauft. Da könnte man ja annehmen, dass ein so bekannter Händler die Geschichte etwas besser kennt, oder? Egal, 0069 S ist jetzt wieder zu haben - und vielleicht arbeitet ja jemand seine Geschichte sauber auf (wir würden uns zur Verfügung stellen).
Wir haben selbstverständlich unterdessen ein paar «Ferrari des Monats»: Ferrari 410 Superamerica, Ferrari 268 SP, Ferrari 250 GT Cabriolet, Ferrari 250 GTO.